2 Beiträge:
1)
Deutschlandfunk DLF Sendung „Hintergrund“ / 2018 März :
Gemeinwohl-Ökonomie –
Wie viel Nachhaltigkeit lässt die Marktwirtschaft zu?
a) Text: b) Audio:
„Eigentum verpflichtet“, so steht es im Grundgesetz. Dagegen jedoch verstoße unsere Marktwirtschaft, sagen die Anhänger der Gemeinwohl-Ökonomie. Sie werben für ein Wirtschaftssystem, das sich statt an Wachstum an Nachhaltigkeit und Solidarität orientiert. Erfolgreich sind sie damit jedoch bislang nur in einer wirtschaftlichen Nische. Von Caspar Dohmen
2)
Dr. rer. pol. Klaus H. Tacke , schon 2014 :
Buch- Gemeinwohl-Ökonomie? was geht –
und was nicht , kritisch-konstruktive Betrachtung ( Auszüge !) : . . .
aus Kap.1. Der Wille des Volkes
Der Wille des Volkes kommt bei den Parteien nicht mehr an. Bevor also eine konkrete Entscheidung in Sachen Gemeinwohl-Ökonomie getroffen werden kann, muss den Bürgern die Macht der eigenen Stimme und Entscheidung wieder zurückgegeben werden.
Ausgangspunkt und effizienter Hebel für eine objektive Kontrolle der Machtverhältnisse muss darin bestehen, sicherzustellen, dass das Kontrollorgan des Parlaments, das Bundesverfassungsgericht, sich nicht mehr zusammensetzt aus Richtern, die zwischen den Parteien in geschlossenen Kommissionen festgelegt werden, sondern dass sie gewählt werden von einem Fachgremium, welches möglichst weit von der Parteienlandschaft entfernt ist. Man hat oft genug festgestellt, dass das BVG nur wenig unternimmt, wenn es um die Macht der Parteien geht.
Um etwas gegen den Status quo zu unternehmen, genügt es deshalb nicht, im Parlament über die 5%-Hürde zu kommen, sondern es muss durch intensive Aufklärung eine größere Bewegung organisiert werden, bei der das Volk bereit ist mitzumachen, wenn man ihm klar macht, dass die Parteien grundsätzlich schon lange nicht mehr das Wohl der Gemeinschaft im Auge haben.
Erst wenn die Macht des Volkes zur eigenen Entscheidung wieder hergestellt ist, kann über eine wie auch immer gestaltete neue Politikform in Details abgestimmt werden.
Es geht nicht um die Verunglimpfung von Adam Smith, es geht auch nicht darum zu wissen, ob wir Menschen so gemeinwohlfähig sind wie Christian Felber hofft. Es geht in erster Linie darum, dass der verfassungsmäßige Urzustand wieder hergestellt wird, und dass als einer der wichtigsten gesellschaftlichen Grundregeln möglichst in allen Bereichen die Prinzipien von Verantwortung und Haftung zusammengeführt werden. Gleichermaßen muss das Handeln öffentlicher Bediensteter auf allen Ebenen transparenter und nachvollziehbar sein. In diesem Zusammenhang stellt das BVerfGe Art 40 eindeutig fest: „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“ (Arnim 2009B, 16).
Es kann nicht gelingen, die verschiedensten politisch-ökonomischen Netzwerke abzuschaffen, aber es muss möglich sein, die Tätigkeiten aller Netzwerke nachvollziehen und im Sinne des Gemeinwohls so weit wie nötig begrenzen zu können. . . .
aus Kap. 3. Gemeinsam wird man stark
Warum sollte man nicht heute schon mit den von Felber beschriebenen demokratischen Allmenden einen Anfang machen? Dazu bedarf es keiner gesetzlichen Änderung. Wenn den Bürgern bewusst wird, wie wirkungsvoll und erfolgreich derartige Einflussnahmen sein können, wird ihr Bewusstsein geweckt für die Möglichkeiten, die wir als Bürger erreichen können, wenn wir es gemeinsam wollen.
Es bietet sich an, Aktivitäten vom Stil demokratischer Allmenden nicht alleine durchzuführen, sondern auf kommunaler und später eventuell auch auf Landesebene zusammen mit anderen gleichgesinnten politischen Bewegungen. Das hätte den Vorteil, dass einerseits durch ein zahlenmäßig größeres Gewicht mehr Druck auf die Verwaltungs-Verantwortlichen in den Gemeinden ausgeübt werden könnte. Andererseits könnte das im Erfolgsfalle ein erster Schritt in Richtung einer möglichen Zusammenarbeit auf Länder- oder Bundesebene sein. Wenn man erfahren hat, dass eine größere Zahl gleichgesinnter Gruppen mehr bewegen kann als eine einzelne, bietet sich eine Zusammenarbeit zwecks Erhöhung der eigenen Wahlchancen an. Nahezu alle Organisationen und Bewegungen, die auf politischem Wege die Zukunft gestalten wollen, sehen als wichtiges Anfangsziel eine Änderung der derzeitigen politischen Machtverhältnisse als erforderlich an. Ohne das erscheint den meisten Gruppierungen eine Reform derzeitiger Politik als schwer erreichbar. Es wäre deshalb vernünftig, die Reformkräfte zusammenzufassen und in einem ersten Schritt gemeinsam die Machtverhältnisse in die verfassungsmäßig vorgesehenen Machtproportionen zurückzuführen.
Für alle Beteiligten an einer derartigen Bewegung ergäbe sich der Vorteil, dass die gemeinsamen Interessen der ersten Stufe gleichzeitig dazu dienen könnten, die eigenen Gedanken zur Gestaltung der Zukunft in einer nachfolgenden zweite Stufe mit einzubringen. Das neue Bündnis ließe den Abgeordneten die volle Freiheit, und je nach Interessenlage in der Bevölkerung könnte dann die eine oder andere Idee gutgeheißen und realisiert werden.
Rein rechnerisch, entsprechend den geschätzten oder gezählten Ergebnissen der für ein Bündnis in Frage kommenden Bewegungen, könnte ein derartiges Wahlbündnis bei einer Bundestagswahl 10-15% der Stimmen erhalten. Das hätte dann mit Sicherheit für alle anderen Parteien eine starke Signalwirkung, denn wenn ein Thema bei den Wählern interessant zu sein scheint, schwenken alle anderen Parteien um, um sich in dieser Bewegung ebenfalls zu profilieren.
Es würde dabei in erster Linie darum gehen, alle die Demokratie-Programmpunkte zu finden, die von allen Parteien gleichermaßen befürwortet werden. Je größer die Zahl der Übereinstimmungen ist, umso mehr steigt die Wahrscheinlichkeit für weitere konstruktive Gespräche. Auch wenn dann am Ende nicht mehr alle Gruppierungen mitmachen werden, so hätte man doch ein Programm, was man gemeinsam den Wählern vorlegen kann.
Ein nicht zu unterschätzender Vorteil wäre ebenfalls, wenn die Gespräche in einer zweiten Phase live stattfinden würden. Bei der Gelegenheit lernt man sich kennen und schätzen und hätte eine größere Chance, Vertrauen aufzubauen.
Es ist durchaus denkbar, dass bei vorbereitetem Boden ein großer Teil der Gemeinwohl-Ökonomie im Ergebnis umgesetzt werden kann. Unter Ergebnis sollte man allerdings weniger die konkrete Vermögens- und Einkommensbegrenzung erwarten, die wahrscheinlich auf Grund von verfassungsrechtlichen Bedenken problematisch sein könnte, sondern die Abschaffung oder Eingrenzung ihrer negativen Auswirkungen mit Hilfe von verbindlichen Vorgaben für den Erwerb und den Besitz. Je straffer Transparenz und Haftung durchgesetzt werden können, umso mehr reduzieren sich die Möglichkeiten, auf fremder Leute Kosten reich zu werden. Wenn es dann noch gelingt, Transparenz in die öffentliche Verwaltung zu bringen, wäre ein wesentlicher Ansatz geschaffen, die Verwaltungskosten deutlich zu reduzieren und das im besten Falle zu verbinden mit dem generellen Verbot zusätzlicher staatlicher Kreditaufnahme (für Ausnahmen müssen erschwerte Genehmigungsbedingungen festgelegt werden).
Die Frage einer demokratischen Mitgift kann ebenfalls – auf gleicher Ebene wie z. B. ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle oder für bestimmte geeignete Gruppen (wie z.B. Mütter mit Kindern) weiter erörtert und voran getrieben werden. Es ist so oder so unabdingbar, zusätzliche Geldmittel für diese Zwecke einzusetzen oder umzuschichten. Das wiederum kann nur gelingen, wenn es gleichzeitig zu einer Ausgaben- und Schuldendisziplin der öffentlichen Hand kommt. Die Haushalt-Souveränität liegt zwar beim Parlament, aber es ist verfassungsrechtlich durchaus möglich, dass das Haushaltsvolumen insgesamt von einem neutralen Fachgremium festgelegt wird – wenn wir das wollen und man uns lässt. Politiker dokumentieren uns seit fast 50 Jahren, – seit 1967 das erste Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht wurde – dass sie nicht in der Lage sind, auf zusätzliche Kredite zu verzichten und erst recht nicht in der Lage und gewillt sind, die Kredite auch wieder zurückzuführen. Wenn man Geld ausgeben konnte ohne Deckung durch Einnahmen, konnte man locker Subventionen, Zugeständnisse an Interessengruppen, Lohnerhöhungen etc. finanzieren. Ans Rückzahlen dachte niemand. Prof. Karl Schiller, Entwickler der Konjunkturprogramme und seinerzeit Wirtschaftsminister, trat von seinem Amt zurück mit der Begründung: „Ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die nach außen den Eindruck erweckt, die Regierung lebe nach dem Motto: Nach uns die Sintflut.“ Damit meinte er die schrankenlose Zunahme der Staatsverschuldung, zu deren Reduzierung die Politiker der damaligen Regierungen nicht bereit waren. Man stellte fest: „Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an als dass ein Politiker Geld zurücklegen kann“ (Franz Josef Strauß, früherer Finanzminister) (Pickartz, 29).
Diesem Dilemma sollten wir uns nicht länger aussetzen. Was die reduzierte Arbeitszeit und die vorgesehenen Freijahre angeht, wird man als erstes abwarten müssen, wie sich der Arbeitsmarkt gestaltet. Wenn er aufgrund der vielen Möglichkeiten, einen Teil der Arbeit unabhängig vom Arbeitsplatz erledigen zu können, mehr Freiraum lässt, wäre das der erste Ansatz, dass jeder selbst entscheidet – in Absprache mit seinem Arbeitgeber – ob und wie er seine Arbeitszeit verkürzen kann. Zusätzlich kann in der Folge untersucht werden, inwieweit seitens der Arbeitnehmer der Wunsch besteht, von dem vorgesehenen Freijahr Gebrauch zu machen, und welche finanziellen Mittel ihm aus welchen Quellen für das Freijahr zur Verfügung gestellt werden können. . . .
aus Schlusswort
Es mag auf den ersten Anblick enttäuschen, dass ich so viele Themen der Gemeinwohl-Ökonomie durcheinander gewirbelt habe, teilweise mehr kritisch als konstruktiv – zumindest was Smith und den Marktmechanismus angeht – aber es würde das Projekt realistischer machen, wenn man sich auf das beschränkt, was auf absehbare Zeit durchsetzbar zu sein scheint. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung ist groß genug. Aber das Gefühl der Unzufriedenheit wissen die meisten nicht an konkreten Umständen festzumachen. Diese Unsicherheit gilt es zu beseitigen. Man muss den Bürgern zeigen, wo und von wem sie auf welche Weise um ihr Gemeinwohl und um ihre Macht erleichtert werden. Dann sind sie eher bereit, sich für etwas Neues zu entscheiden und mitzumachen.
Alle Ziele der Gemeinwohl-Bewegung sind zu realisieren, auch wenn man keine fundamentale Änderung der heutigen Grundlagen unserer Demokratie vornimmt. Man muss nur an den Stellschrauben der unkorrekten Bedienung und unfairen Ausnutzung künstlicher Privilegien drehen, um Einfluss zu bekommen auf die negativen Auswirkungen auf das Gemeinwohl.
Es kann sogar in Frage gestellt werden, ob wir als Menschen eher dem Eigennutz frönen oder unser Denken und Handeln der Gemeinschaft widmen. Der erste Bundeskanzler, Konrad Adenauer, soll das so ausgedrückt haben: die Menschen sind erschreckend unvollkommen, aber wir haben keine anderen. Lasst die Menschen wie sie sind, besorgt ihnen nur die Freiheiten und Möglichkeiten, die eine Gemeinwohl-Ökonomie bieten würde. Dann wird sich von selber herausstellen, ob und wie sehr wir unsere Gemeinschaft lieben und in welchem Maße wir bereit sind, viel für sie zu tun, weil wir den Sinn des Zusammenlebens verstanden haben und schätzen.
Also ( zusammengefasst)
Dieses Buch befasst sich vorwiegend mit der Gemeinwohl-Ökonomie des gleichnamigen Buches von Christian Felber.
Seine Visionen sind faszinierend, aber erst erreichbar, wenn sie einerseits auf einem solideren theoretischen Fundament abgesichert werden und andererseits sich als erstes mit der Erneuerung der heutigen politischen und gesellschaftlichen Situation befassen.
Wer sich realisiert, in welchem Ausmaße wir Bürger von den meisten uns umgebenden politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Organisationen und Institutionen ausgenutzt und abgezockt werden, verliert die Hoffnung, dass die Bürger sich jemals aus ihrer politischen Bedeutungslosigkeit befreien könnten.
Erst wenn es gelingt, die folgenschwere Triade Machtgier, Habgier und Korruption zu zerschlagen, kann ein neuer Weg in die Zukunft führen. Der Weg ist das Ziel.